Beinahe alle Klöster teilen einige zentrale Grundwerte. Diese Werte sind allerdings nicht nur für ein Leben im Kloster hilfreich und fruchtbar. Wir können von ihnen lernen.
-
Armut und Einfachheit
»Keiner habe etwas als Eigentum {…}. Alles Notwendige dürfen sie aber vom Vater des Klosters erwarten {…}. Alles sei allen gemeinsam {Apg 4,32}, wie es in der Schrift heißt.«
Aus Kapitel 33 der Benediktsregel
Wer sich dafür entscheidet, in ein Kloster zu gehen, verzichtet damit auf jegliche Form von persönlichem Besitz. Diese Selbstverpflichtung soll den Mönchen und Nonnen dabei helfen, frei zu werden von dem ständigen inneren Verlangen des »Habenwollens«, das in uns allen wohnt.
Ständig sehnen wir uns nach Dingen, die wir gar nicht brauchen und an denen unsere Freude jeweils nur kurz hält. Unser Beruf und oft sogar unsere Freizeitgestaltung sind meist auf Kaufen und Besitzen ausgerichtet.
Ein Leben in Einfachheit macht frei, den Blick und das Herz auf das zu richten, was wesentlich ist. Einfach zu leben bedeutet weniger Ablenkung durch Unwichtiges und mehr Liebe, Zeit und Kraft für uns selbst, für andere Menschen und für Gott.
Jesus sagt: »Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes {…}, so wird Euch das Übrige alles zufallen.« {Mt 6,33}
Genau dazu hilft ein einfacher Lebensstil.
-
Gebet und Arbeit
»Wenn du etwas Gutes beginnst, bestürme Gott beharrlich im Gebet, er möge es vollenden.«
Aus dem Prolog der Benediktsregel
Gebet und Arbeit {»ora et labora«} sind das Zentrum mönchischen Lebens. Dabei dürfen Gebet und Arbeit keinesfalls gegeneinander ausgespielt werden. Vielmehr hilft den Mönchen das Gebet, ihre Arbeit auf gute Weise zu tun – eine Regel, die auch für uns heute noch gilt.
Denn zum einen entlastet uns das Gebet von der Arbeit. Viele von uns nehmen ihre Arbeit zu wichtig und grübeln auch nach Feierabend über viele Herausforderungen, Fragen und Probleme. Im Gebet und der geistlichen Erbauung lassen wir unsere Arbeit los und überlassen Gott, was er daraus macht.
Zum anderen klärt das Gebet die Motive, die uns bei der Arbeit bewegen. Wir nehmen uns oft selbst zu wichtig: Wir wollen Erfüllung, Geld, Macht, Anerkennung und Erfolg. Im ehrlichen Gebet erkennen wir vor Gott, wo wir uns zu sehr vergleichen, wo wir zu stolz sind und wo wir zu viel wollen. Wir entdecken darin auch, wo wir uns zu den Grenzen des Machens bekennen dürfen.
Im Gebet entdecken wir, dass es nicht die Arbeit, sondern Gott ist, der unsere Sehnsüchte stillen will und kann.
-
Lebensgemeinschaft
»Die Mönche sollen einander in gegenseitiger Achtung zuvorkommen; ihre körperlichen und charakterlichen Schwächen sollen sie mit unerschöpflicher Geduld ertragen; {…} keiner achte auf das eigene Wohl, sondern mehr auf das des anderen.«
Aus Kapitel 72 der Benediktsregel
Klöster sind Orte, in denen unterschiedlichste Menschen auf engstem Raum miteinander leben – ein Leben lang. Die Regel des Hl. Benedikt zeigt, wie eine solche Gemeinschaft gelingen kann.
Die entscheidende Regel lautet: »Achtet den anderen. Macht euch den Wert klar, den dieser Mensch in Gottes Augen hat und wie sehr Gott ihn liebt! Behandelt ihn entsprechend!«
Die zweite Regel fließt aus dieser Haltung: »Wir sollen uns in einer Gemeinschaft gegenseitig tragen und ertragen.«
Es geht nicht zuerst darum, den anderen zu ändern, sondern darum, ihn anzunehmen und für ihn zu sein. Anstatt alles beseitigen zu wollen, was uns am anderen stört, sollten wir uns fragen, ob Gott uns nicht vielleicht diesen Menschen zumutet, um uns für seine Liebe aufzubrechen. Wenn unsere menschliche Liebe am Ende ist, kann Gott uns mit seiner Liebe für diesen Menschen füllen.
-
Rückzug und Einsamkeit
»Wir wollen also eine Schule für den Dienst des Herrn einrichten {…}. Die Werkstatt aber, in der wir das alles sorgfältig verwirklichen sollen, ist der Bereich des Klosters {…}.«
Aus dem Prolog & Kap. 4 der Benediktsregel
Schon in den ersten Jahrhunderten nach Christus gab es immer wieder Menschen, die sich aus dem normalen, menschlichen Leben zurückzogen, um sich mit aller Kraft und Aufmerksamkeit Gott zuwenden zu können. Die ersten Mönche und Nonnen {sog. »Eremiten«} gingen dazu sogar in die Wüste. Sie suchten bewusst einen lebensfeindlichen Ort auf, um sich von allen Ablenkungen zu befreien. Auf diese Weise blieb ihnen nur Gott, auf den sie all ihre Liebe und Aufmerksamkeit konzentrierten.
Auch für uns heute gibt es eine Reihe von »Wüsten«, in denen wir uns plötzlich wiederfinden können: Krankheit, seelisches Leid, unfreiwillige Einsamkeit, Scheitern. Wenn wir aus diesen Orten nicht nur zu fliehen versuchen, sondern sie bewusst annehmen und Gott darin suchen, dann können uns diese Wüsten zu Orten echter Gottesbegegnung werden.
Überhaupt lohnt es sich, den eigenen Alltag immer wieder heilsam zu unterbrechen und sich für einen Tag oder sogar eine Woche zurückzuziehen und „offline“ zu gehen – vielleicht sogar in einem Kloster. Wenn wir uns so für eine gewisse Zeit von unseren üblichen Routinen und Ablenkungen frei machen, erkennen wir uns selbst und Gott klarer und gewinnen mehr Frieden und Klarheit.
-
Stabilität
»Bei seiner Aufnahme ins Kloster soll der angehende Mönch vor den versammelten Brüdern Folgendes versprechen: Beständigkeit, klösterlichen Lebenswandel und Gehorsam.«
Aus Kapitel 58 der Benediktsregel
Durch das Gelübde der Beständigkeit bindet sich ein Mönch an ein bestimmtes Kloster und an die Gemeinschaft dort und verspricht, sein ganzes weiteres Leben an diesem einen Ort zu bleiben.
Dieses oftmals nur wenig bekannte Gelübde bildet einen Kontrast zu unserer Gegenwart, die stark von Mobilität und Flexibilität geprägt ist. Doch mit der Mobilität und Flexibilität üben wir zugleich eine wachsende Bindungsscheu ein. Wir haben Angst, eine dauerhaft gültige Ehe einzugehen {oder verlassen die Ehe vorzeitig wieder}, wir zögern damit, uns für einen bestimmten Beruf zu entscheiden, und auch über unsere Freizeitgestaltung entscheiden wir kurzfristig. Wir möchten uns alle Türen offen halten.
Unsere Seele braucht allerdings immer auch Beständigkeit. Wenn wir uns dauerhaft weigern, feste Wurzeln zu schlagen, werden wir anfällig für Depressionen und Gefühle der Haltlosigkeit. Die Regel der »Stabilitas« kann uns Mut machen, uns zu entscheiden, uns festzulegen und uns zu binden.
-
Gastfreundschaft
»Alle Fremden, die kommen, sollen aufgenommen werden wie Christus; denn er wird sagen: ›Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen.‹ Allen erweise man die angemessene Ehre.«
Aus Kapitel 53 der Benediktsregel
Wir alle sind hier auf Erden nur auf der Durchreise. Jeder von uns ist unterwegs auf seinem Lebensweg. Gastfreundschaft bedeutet, dass wir unser Haus {und unsere Herzen} öffnen für all die anderen Menschen, die unsere Wege kreuzen – auch und gerade für Menschen, die wir normalerweise vielleicht sogar meiden würden.
Die Klöster wollen uns hierin ein Vorbild sein, weil sie für alle Menschen auf der Durchreise eine offene Tür haben. Sie wissen darum, dass uns in jedem Menschen Christus begegnen kann, weil jeder Mensch von Christus geliebt und angenommen ist. Diese Liebe und dieses Angenommensein haben wir alle gemeinsam.
Eine weitere Dimension gewinnt die Gastfreundschaft heute mit Blick auf die Flüchtlinge dieser Welt. Gottes Ruf zur Gastfreundschaft für Menschen, die vor Krieg und Hunger und Armut flüchten, gilt nicht nur Einzelpersonen, sondern auch ganzen Gesellschaften und Völkern.
-
Demut und Gehorsam
»Der erste Schritt zur Demut ist Gehorsam {…}. Er ist die Haltung derer, denen die Liebe zu Christus über alles geht. {…} Daher geben die Mönche ihren Eigenwillen auf.«
Aus Kapitel 5 der Benediktsregel
Wer in ein Kloster eintritt, verpflichtet sich, seinem Abt gegenüber {wie gegenüber Christus} gehorsam zu sein. Dieser Gehorsam auf menschlicher Ebene soll den Mönch {oder die Nonne} in den Gehorsam gegenüber Gott einüben.
Für uns heute klingt »Gehorsam« sofort nach Unterdrückung. In dem Wort »Gehorsam« steckt aber zuerst einmal das Wort »Hören« und es stellt uns die Frage: Auf wen oder was höre ich eigentlich? Wer darf mir etwas sagen?
Wenn wir uns dafür entscheiden, auf Gott zu hören, dann ist das Erste, was wir von ihm hören: Du bist geliebt, bejaht, gewollt, begnadigt und befreit. Ich bin für dich und mit dir!
Das Zweite, was wir dann hören ist das Wort Jesu: »Wer unter Euch groß sein will, der soll euer Diener sein!« {Mt 20,25}.
Gott ruft uns in ein Leben hinein, in dem wir unser Handeln ganz bewusst auf den Vorteil anderer ausrichten sollen – in dem festen Vertrauen, dass Gott selbst für uns und unsere Bedürfnisse sorgt.